PatInnen
- PatInnen erzählen

Angelika und Peter
Kaufmännische Direktorin bzw. Kulturmanagement

PatInnen von Yong Wen aus China

Connecting People hat unser Leben um einige Erfahrungen reicher gemacht, hat die Augen geöffnet.
Als Angelika, meine Frau, von einem Fernsehbericht über dieses Projekt erzählte, verbunden mit dem Wunsch, da mitmachen zu wollen, gefiel mir diese Idee recht gut. War es doch bisher immer in meinem Sinn, aktiv Hilfe zu leisten und nicht das Gewissen mit Geldspenden zufriedenzustellen, um es etwas provokant auszudrücken.
Mit Spannung sahen wir also diesem Abenteuer entgegen. Und dann begann es – das große Staunen. Staunen darüber, wie wenig man über die wirklichen Probleme der 'Asylanten' – wie sie allgemein genannt werden – weiß. Welcher Hilf- und größtenteils auch Hoffnungslosigkeit sie, von Gesetzes wegen, ausgesetzt sind, – zu einem Zeitpunkt, wo sie ohnedies ziel- und hoffnungslos genug sind.
Wie ist es möglich, dass gewisse Zustände von der 'Flüchtlingspolitik' zugelassen oder sogar angeordnet werden?
Wie kann es sein, dass über dieses Thema so wenig bis gar keine oder auch falsche Aufklärungsarbeit von den Verantwortlichen geleistet wird? Flüchtling zu sein, aus welchem Grund auch immer, ist für einen Erwachsenen ein schwerer Schicksalsschlag. Wie schlimm muss das erst für ein Kind, für einen Jugendlichen sein. Das Staunen und teilweise auch Entsetzen steigerte sich von einem Ausbildungsabend zum anderen, parallel mit der Gewissheit, bei diesem Projekt einfach dabei sein zu müssen.

Wir hatten uns also auf ein nicht unschwieriges 'Abenteuer'’ eingestellt. Eine/n Jugendliche/n kennen und betreuen zu lernen, aus einem fremden Land kommend, einem anderen Kulturkreis, möglicherweise traumatisiert, unserer Sprache nicht oder noch nicht genug mächtig und in einem Alter, das für die meisten Jugendlichen ohnehin ein schwieriges ist.
'Bekommen' haben wir einen noch nicht ganz 17-jährigen chinesischen Jungen. Seit zwei Jahren lebt er in Wien und hat bereits erstaunlich gut Deutsch gelernt.
Das gemeinsame Kennenlernen hat uns unsere Melina, eine Golden Retriever Hündin, sehr erleichtert. Yong Wen, so heißt unser Patenkind, liebt nicht nur die Natur, sondern auch Tiere. Dass Melina eine so wichtige Rolle übernehmen wird, hatten wir anfangs nicht gedacht. Die ersten ausgedehnten Spaziergänge im Wienerwald hat sie nicht nur uns, sondern sicher auch Yong Wen ein wenig erleichtert. Auch ist seine Freude recht groß, wenn er jetzt von ihr immer stürmisch begrüßt wird.
Yong Wen ist ein intelligenter, interessierter und liebenswerter junger Mann. Er ist an allem'Österreichischem' äußerst interessiert. Besucht mit uns, aber auch alleine, gerne Museen, kennt die wichtigsten österreichischen PolitikerInnen mit Amt und Namen und macht gerade seinen Hauptschulabschluss. Die Schule ist für ihn kein großes Problem. Sein gesunder Ehrgeiz ist da sicher hilfreich. Seine Freude am Billardspiel hat mich bereits angesteckt und so wurde er für mich ein guter Lehrer. Kurz vor Weihnachten machte Yong Wen im Rahmen der Schule ein einwöchiges Berufspraktikum. Angelika verschaffte ihm die Möglichkeit, dieses in der Küche des Hotels Regina zu absolvieren. Kochen macht ihm große Freude und Koch könnte vielleicht eine Berufswahl werden.

Aus: Annäherungen. Junge Flüchtlinge und ihre PatInnen erzählen, Mandelbaum Verlag, 2006